Universo Paralello


Ich wäre niemals von mir aus mit dem Kind an so ein grosses Techno-Festival gegangen. Nun hat sich das aber so ergeben, ich bin einfach mitgeflowt. 

 

Zuerst haben wir dank Kinderbonus die sechsstündige Warteschlange am Eingang übersprungen. Dafür haben wir dann drinnen genau so lange auf die Jungs gewartet, weil wir auf dem riesigen Gelände gleich verloren gegangen sind. 40 000 Menschen, einige Kilometer Strand, überall Sand. Das Gehen, vor allem mit Rucksack, geht übelst an die Muskeln.

Ich bin von Natur aus ein Schattengewächs. Deswegen war mein Festival in Wirklichkeit eine einzige grosse Überlebensstrategie. Denn Schatten ist rar und hart umkämpft, Wasser noch viel rarer, und das Thermometer klettert schnell mal auf 40 Grad im Schatten. Also Tagwache um halb sechs morgens, weil es dann im Zelt zu heiss zum schlafen wird. Duschen sind vorhanden, sie sind allerdings nachts nicht zu empfehlen, weil dann Brazilian Night Shower abgeht, da kann einem alles passieren.... Morgens finden sich dann oft Scheisshäufchen in den Kabinen, was Pippi zutiefst entsetzt hat. Das Duschwasser ist glücklicherweise kalt, aber es wurde aus den Mangroven heraufgepumpt, und es riecht stark nach .... Schwefel. Den Geruch kriegt man nicht mehr aus den Haaren. Gegen Ende des Festivals verschlimmerte sich dieser Geruch bis ins Unerträgliche. Dafür sind die Toiletten immer sauber und die Fäkaltanks werden gekühlt, anders wär der Gestank auf dem Platz wohl nicht zu ertragen....

Die frühen Morgenstunden, die temperaturmässig noch zu ertragen sind, muss man nutzen um zu Frühstücken und sich mit Kokoswasser einzudecken, vor allem aber, um sich einen Schattenplatz am Meer zu sichern. Da geht wenigstens ein kūhlender Wind. Das Meer selber ist heiss wie Pisse und die Wellen brutal stark. Mit Erfrischung ist da nix. Pippi will eh nicht baden, sie fürchtet sich vor Quallen. (Ihre Narbe trägt sie allerdings mit Stolz und zeigt sie jedem.) Also liegen wir wie betäubt unter den Palmen, sehen der Sonne zu, wie sie über den Himmel wandert. Entsprechend rutschen wir unten auf der Erde dem wandernden Schatten nach. Trotzdem sind wir nach ein paar Tagen knusprig dunkelbraun gebrannt. Die Sonnencreme ist dauernd leer. (Ich benutze sonst NIE Sonnencreme!) Aber Vorsicht: Fünf Minuten ohne Schutz unter dieser Sonne; Zägg - Sonnenbrand.

Onkel Leo sieht schon aus wie ein Hummer, ausserdem leuchtet er warscheinlich im Dunkeln.

Mittags gehen wir essen, danach wieder ins Camp. Leo hat ein paar Eingeborene dafūr bezahlt, uns ein Schattendach aus Bambus und Palmblättern zu bauen, deswegen können wir da den Nachmittag überleben, mit viel Duscheinlagen um sich auf Betriebstemperatur zu halten. Ca. um fünf Uhr abends lässt die Sonne nach und die einsetzende Kühle ist wie eine Offenbarung, eine derartige Wohltat, dass man nur schon davon freudig und unternehmungslustig wird. Allerdings nicht lange, denn von der Hitze des Tages sind wir hundemūde und wir mūssen die Nacht nutzen, um zu schlafen. Im Zelt ist es oft auch nachts zu heiss, so schlafen wir draussen, immer noch im Bikini, voller Sand und Ameisen.

Das Festival geht mir wahnsinnig ins Geld, denn sogar für Trinkwasser muss man horrende Preise bezahlen. Pippi wächst glaubs grad, sie isst ungefähr dreimal soviel wie ich, vier warme Mahlzeiten pro Tag. Zum Glūck gibt es Elfenpizza, die mit Abstand beste Pizza der Welt. Und das Beste ist: Kinder essen gratis!! Und ich auch..... Danke, Elfi!!!! Gott schütze euch! Dank der Herzensgüte der Elfen und täglich zweimal Pizza konnte ich mein Budget schonen. Auch Leo hat mich sehr unterstützt, ohne ihn wären die letzten Wochen sehr viel mühsamer gewesen. Unermüdlich spielt er mit Pippi, kauft ihr Essen, Kleider und Schmuck, macht sie glücklich und mich somit auch. Sie hat schon ewig nicht nehr mit Kindern gespielt, ohne Leo wäre das schon längstes in einem Fiasko ausgeartet. Aber er spielt unermüdlicher mit ihr als jedes Kind. Eines Tages machen wir ihr Pippi-Langstrumpf-Zöpfe mit Draht, danach kennt sie jeder am Festival und die kleine Prinzessin wird noch mehr verwöhnt.

Leo und Pippi, beide mit Zoepfen
Leo und Pippi, beide mit Zoepfen

Eigentlich schlafen, essen und ūberleben wir nur. Das Festival geht sieben (!) Tage lang. Am Schluss habe ich mich wider allen Erwartens an die Hitze gewöhnt. Party und Drogen wären für mich allerdings auch ohne Pippi nicht möglich gewesen. Sogar für Rauchen und Trinken war es zu heiss für mich. Von Tanzen ganz zu schweigen. Ich war nicht ein einziges Mal auf einem Dancefloor.

Das Schönste war das Zusammensein mit der grossen Freundesfamilie, die ich schon lange von anderen Festivals kenne. Trotzdem waren wir froh, als wir wieder abreisen konnten. Ein paar Tage zum Waschen und Erholen bei Fabio Daheim, dann gehts auf die Insel zum Afterchill, wo die Festivalfamilie sich schon versammelt hat.

Auf der Heimfaht sind wir an einem herrlichen roten Comby vobeigefahen, auf dem "Zu verkaufen" stand. Ich so: "Stoooopp!" und wir haben den Fahrer angehalten, für 3000 Euro wär er meiner gewesen. LEIDER war er am nächsten Tag schon verkauft. Wie, ich dachte, in Brasilien passiert nix von heute auf morgen? Offenbar kam da einer daher mit ner Menge Bargeld in der Hand....

Das hat mich in tiefe Depressionen gestürzt. Schon vier Monate unterwegs,  und noch immer konnte ich meinen Traum nicht verwirklichen. Schon ungefaehr 300 Combys hatten wir schon in Aussicht.

Ob ich das überhaupt jemals schaffen werde?

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